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Matthias Wilke
Das Ende der Fairness?
Köln 2009

Gestützt auf empirische Daten geht die Untersuchung in Form einer Dissertation den Fragen nach, in „welcher Weise Fair Play trotz augenfälliger Defizite fest im Leistungssport und in der Gesellschaft verankert ist und ob die Gesellschaft auf die Vorbildwirkung sportlicher Werte wie z.B. der Fairness überhaupt verzichten kann, ohne einen grundlegenden Wertekonsens zu gefährden“. Der Autor bejaht diese Fragen und liefert die analytischen Begründungen in seiner Arbeit.

Nach einem Gang durch die sport- und rechtswissenschaftlichen Positionen zu Fairness und Gerechtigkeit wird erörtert, „worin Fairness eigentlich besteht“. Sie wird von Regelkonformität scharf unterschieden und als innere Haltung beschrieben, die einen Menschen „fair“ handeln lässt. Fairness wird nicht rational begründet, vielmehr verankert gesehen in einem „moralischen Instinkt, der uns durch die Evolution zugewachsen ist“. Von daher wird Fairness als „soziale Kompetenz“ aufgefasst.

Da es eine Spannung gibt zwischen „expliziten Forderungen von Sportregeln, der allgemeinen Gesetze oder Regeln des Handels- und Wirtschaftsrechts und der Absicht von Fairness und Fair Play“ ist laut Autor „auf allen diesen Gebieten eine Opportunitätsmoral anzutreffen in dem Sinne, dass zwar jeder für Fairness ist, aber keineswegs alle bereit sind, dafür einen Preis zu bezahlen und ggfs. auf einen eigenen Vorteil zu verzichten“. Daher müsse man der Verschärfung von Reglements und Sanktionen widerstehen, da „Fairness als ethisches Prinzip“ Freiräume benötige, in denen sich gerade die Haltung der Handelnden in fairer Praxis erweisen muss und soll. Verschärfte Reglements können Fairness nicht erzwingen, sondern nur Anpassung, die dann die Ausbildung des moralischen Instinkts zu einer sozialen Kompetenz eher be- und verhindert.

Wilke: „In der Konsequenz muss die Verantwortung für einen fairen Spielbetrieb oder Wettkampf wieder an die Spieler und Akteure zurückgegeben und darf nicht ausschließlich bei den Schiedsrichtern, Wettkampfgerichten oder Liga-Ausschüssen gesehen werden. Das Gleiche gilt für die gesamte Gesellschaft, die in der Fairness ein Prinzip des gerechten Ausgleichs sieht und auch juristische Entscheidungen zunehmend in die Hände der Betroffenen legt“.

Die empirische Studie Wilkes weist nach, dass Fairness hoch angesehen ist: „Partnerschaftliches Handeln und der Blick auf die Interessen und Bedürfnisse des Anderen gehören zum anerkannten Katalog sozialer Kompetenzen. Die Mehrheit scheint bereit zu sein, die Verantwortlichkeiten als kooperative Partner zu achten und die Rollen zu erfüllen, die Menschen in spezifischen sozialen Zusammenhängen zu spielen haben. Das gilt für den Sport wie für andere gesellschaftliche Bereiche“.

Allerdings ist es mit den Appellen des Autors, „dass alle Bürger mehr Ehrlichkeit und Fair Play im Alltag, beispielsweise im Straßenverkehr oder bei der Steuererklärung, aufbringen müssten“ nicht getan. Für eine „Fairness-Kultur“, von der alle und auch der Sport profitieren würden, braucht es Fairness fördernde und Unfairness sanktionierende Rahmenbedingungen. Das zeigen nicht zuletzt die Denk- und Handlungsweisen der Finanzbranche und auch des Sports (siehe Jürgen Roth, Unfair Play: Wie korrupte Manager, skrupellose Funktionäre und Zocker den Sport beherrschen, Frankfurt am Main 2011).

Im Ergebnis ist Matthias Wilkes Werk: „Das Ende der Fairness? Ethische Werte aus dem Sport im Spiegel der Gesellschaft“ ein unverzichtbarer Beitrag auf dem Weg zu einer überzeugenden Begründung und Praxis der Fairness - nicht nur im Sport.
Norbert Copray

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