Internationales Fairness-Forum 2009

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Durch Fairness zur sozialen Gerechtigkeit?


Dr. Norbert CoprayDr. Norbert Copray führte nach seiner Begrüßung in das Thema unter anderem wie folgt ein: „Überraschend offen und kritisch hat vor wenigen Monaten Bundespräsident Dr. Horst Köhler in einer öffentlichen Rede das Thema in der aktuellen Situation angesprochen. Es sagte:
„Die internationale Finanzkrise hat gezeigt, was geschieht, wenn mächtige wirtschaftliche Akteure den Blick fürs Ganze und den Blick über den Tag hinaus verlieren. Das wirft zwei grundsätzliche Fragen auf:
Erstens: Dürfen sich die Völker der Welt eigentlich einfach darauf verlassen, dass die Akteure auf den Märkten den nötigen Blick für das Gemeinwohl und für nachhaltiges Wirtschaften haben? Antwort: Nein, das dürfen die Nationen nicht. Die Krise hat bewiesen: Im Wirtschafts- und Finanzleben ist eine energische staatliche und zwischenstaatliche Ordnungspolitik unentbehrlich. Die ordnungspolitischen Vordenker unserer Sozialen Marktwirtschaft haben Recht behalten: Der Markt alleine richtet nicht alles zum Guten. Wir brauchen wirtschaftspolitisch weltweit "einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten". Das hat Alexander Rüstow gesagt, einer der Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft. Stark ist ein Staat, der dem Marktgeschehen klare und wirksame Regeln und Grenzen setzt. Und stark ist gerade auch ein Sozialstaat, der keine Versprechungen macht, die er nicht einlösen kann.
Die zweite Frage lautet: Lässt sich die Wirtschaft so gestalten, dass sie mehr verfolgt als bloße Eigeninteressen, dass die an ihr Beteiligten immer auch das Gemeinwohl und die Erfordernisse nachhaltigen Wirtschaftens im Blick behalten? Antwort: Ja, und dafür sind vor allem drei Faktoren gut - soziale Teilhabe, ein kooperatives Klima in den Arbeitsbeziehungen und eine Kultur der Mitbestimmung.“
Mit diesen Wort des Bundespräsidenten sind wir mitten im Thema dieses Nachmittags gelandet. Er definiert drei Faktoren, die dafür stehen, eine Gemeinwohl orientierte Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit im Gegensatz zu einer einzelnen Lobbies und Gruppen verpflichteten Gerechtigkeitsvorstellung zu ihren Gunsten zu entwickeln.
Der Bundespräsident sagte in der gleichen Rede etwas später:

„Es geht mir darum, dass wir anderen Entwicklungen in unseren Gesellschaften - "Jenseits von Angebot und Nachfrage" (Wilhelm Röpke) - mehr Aufmerksamkeit widmen; dass wir genauer hinschauen. Die OECD weist mit Recht darauf hin, dass es bei der Suche nach den Maßeinheiten für Lebensqualität auch um politische Kontrolle geht: Wir müssen besser beschreiben und messen lernen, was eine gute Gesellschaft ausmacht, damit die Wähler Politiker und die Ergebnisse ihrer Politik genauer beurteilen können. Der Mensch ist nicht allein Konsument oder Produzent - so wichtig das auch ist. Er ist auch Bürgerin oder Bürger, Nachbar, Mutter, Vater oder Kind. Er hat Wünsche und Träume und er trägt Verantwortung - für seine Mitmenschen, die Schöpfung und auch für künftige Generationen. Haben wir das schon ausreichend im Blick? Haben wir die richtigen Maßstäbe dafür? Geben wir der Diskussion um die richtigen Maßstäbe genügend Zeit?“

Als hätte der Bundespräsident von unserem Vorhaben gewusst, heute und hier eben das auszuloten. Entscheidend für das Gelingen sozialer Gerechtigkeit ist zuvorderst, dass die Grundsätze der Gerechtigkeit in einer fairen Auseinandersetzung diskutiert, gefunden und später auch beschlossen und umgesetzt werden. Findet eine solche faire Auseinandersetzung, Beratung und Suche in der Gesellschaft statt? Sind dazu alle möglichen und nötigen Maßnahmen ergriffen, um eine faire Ausgangssitiuation für eine solche Beratung und Diskussion zu schaffen und dann durchzuhalten? Oder werden bereits im Vorfeld Umstände erzeugt und Maßnahmen ergriffen, die kein faires Befinden darüber ermöglichen, was gesamtgesellschaftlich soziale Gerechtigkeit bedeuten und sein soll? Ist eventuell die behauptete Sozialität einer Marktwirtschaft oder die vermeintliche Teilhabe in der Demokratie nach dem heutigen Stand zu schwach ausgebildet, damit man durch Fairness zur sozialen Gerechtigkeit kommen kann? Und was geschieht seitens bestimmter gesellschaftlicher Akteure, die die Fairness einer gesellschaftlichens Diskurses und Beschließens über soziale Gerechtigkeit und ihre konkreten Ausprägungen möglicherweise aushebeln?“

Prof. Dr. Birger Priddat Prof. Dr. Birger Priddat , Lehrstuhlinhaber an der Universität Witten/Herdecke, zeigte an Hand von „Vertrag und Vertragserfüllung“ die „Ökonomie unfairer Beziehungen“ auf. Ohne die faire Herstellung einer Gemeinsamkeit des Interesses und des Zieles für beide Seiten komme kein nachhaltiger Vertrag zustande, was wiederum Fairness in der Weise voraussetzt, das jeder Partner auf die Interessen das anderen Rücksicht nimmt und sie in einem gemeinsamen Vertrag zu Geltung kommen lässt. Verträge, die dies nicht beachten, kommen entweder nicht zustande oder setzen sich wegen Übervorteilung nicht weiter fort. Wo einseitige Machtasymmetrie herrsche, bedürfe es daher eines starken Ausgleichs, damit Vertragspartner auf Augenhöhe auch Partner sein. In Anwendung auf Arbeitsverhältnisse und Arbeitsverträge konnte Prof. Priddat verdeutlichen, wie maßgeblich daher Fairness ist, um zu seiner Situation zu kommen, die von allen Partner als sozial gerecht beurteilt wird.

Jutta DitfurthJutta Ditfurth, Diplom Sozialwissenschaftlerin, Journalistin, Buchautorin und politische Aktivistin vornehmlich im außerparlamentarischen Bereich, bestritt eine sinnvolle Funktion der Fairness in kapitalistischen Wirtschaftssystemen. Über ein bloßes Nettsein zur Verschleierung von Ausbeutungsverhältnissen gehe die Fairness selten hinaus und hätte daher oftmals die Funktion eines Feigenblattes. Demgegenüber gelte es, Machtverhältnisse zu Ausbeutungszwecken sichtbar zu machen und Voraussetzungen zu schaffen, dass sie überwunden würden. Daher komme man durch Fairness nicht zur sozialen Gerechtigkeit, sondern nur durch radikale Infragestellung der aktuell gültigen Wirtschaftsweise.

Prof. Dr. Norbert WalterProf. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank und Geschäftsführer von Deutsche Bank Research, untersuchte die Frage: „Wie finden wir das richtige Maß für soziale Gerechtigkeit?“ Er stellte besonders heraus, dass zweierlei entscheidend sei: 1. eine persönliche Verankerung in einem Wertesystem, das den anderen jeweils zugestehe, was man für sich in Anspruch nehme, und durch entsprechendes, vorbildliches Verhalten belegt werde, 2. dass wir nicht von Einzelinteressen oder ihrer bloßen Addition die Maßstäbe für Gerechtigkeit ableiteten, sondern im Blick auf das Wohl aller und des Ganzen, was nicht in jedem Fall das Gleiche sei.


Das sehr lebendige Podiumsgespräch griff die von den Rednern vertretenen Thesen auf, ehe sich die Phase der Publikumsfragen anschloss. Wichtiges Thema war unter anderen, inwieweit Fairness nur Nettsein bedeutet oder nicht vielmehr konstitutiv ist für die Lösung der Gerechtigkeitsfrage, auch für diejenigen, die das Wirtschaftssystem radikal in Frage stellen.

v.r.n.l.: Prof. Dr. Norbert Walter, Sören Stamer (Deutscher Fairness Preis 2009), Dr. Norbert Copray, Jutta Ditfurth, Prof. Dr. Birger Priddat

In seinem Schlusswort dankte Dr. Norbert Copray den Rednern für ihr Engagement und ihre profunden Beiträge beim Internationalen Fairness-Forum . Und lud anlässlichen des 10jährigen der Fairness-Stiftung zum Internationalen Fairness-Forum 2010 nach Frankfurt am Main für den 30.10.2010 ein.

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