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Prof. Dr. Rupert Lay
Vorsitzender des Kuratoriums der Fairness-Stiftung

Zur Einführung in das Internationale Fairness-Forum
am 1.12.2001 in der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Auszüge aus der freien Rede (Mitschnitt)

Ich verstehe unter Globalisierung zunächst eine gewisse Autodynamik der Ökonomie von Großunternehmen und größeren Unternehmen, die auf Globalisierung abzielt. Bei kleineren Unternehmen, die lokal gebunden sind, sind kaum Globalisierungseffekte zu erwarten. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die ganze Globalisierung aus unserem Kulturraum stammt und zwar ausgelöst durch die Vorstellung des westlichen Christentums nach Matthäus 18:"Geht hin in alle Welt und lehret und taufet alle Völker!". Dieser erste Globalisierungsprozess ist dann insofern gescheitert, als man versucht hat, das europäische Christentum wie einen Exportartikel in die Kolonien zu pressen. Auch heute wird versucht, das Christentum oftmals auf diese Weise in andere Länder zu transportieren, was glücklicherweise misslingt.
Auf einer zweiten Ebene der ökonomischen Globalisierung sehe ich ebenfalls Probleme. Denn die ökonomische Globalisierung setzt voraus, dass auch im politischen Raum Globalisierung geschieht. Ohne etwa eine Gleichschaltung der Steuer- und Subventionssysteme, sicher auch der Arbeitsgesetzgebung und der Sozialgesetzgebung, wird keine Globalisierung möglich sein, sondern werden sich bestimmte Volkswirtschaften ökonomische Vorteile mittels politischer Vorteile zu verschaffen versuchen. Es ist schwierig, der ökonomischen Globalisierung politisch den Boden zu bereiten. Wahrscheinlich ist er nicht zu bereiten. Man kann es zunächst nur mal im EU-Raum versuchen, ehe wir in den OECD-Raum gehen. Die ehemaligen Kolonialvölker, die sogenannten Länder der Dritten Welt, die armen Länder, werden durch sogenannte Schutzzölle massiv daran gehindert, an der Globalisierung überhaupt teilzunehmen.
Diese Globalisierung kann, muss nicht, kann zu verschärftem Wettbewerbsdruck führen. Sie führt dann nicht zu verschärftem Wettbewerbsdruck, wenn die Globalisierung soweit gediehen ist, dass faktisch Monopole oder Oligopole entstanden seien sollten. Solange dies aber nicht der Fall ist, wird mit einiger Sicherheit die Globalisierung hier zu verschärftem Wettbewerbsdruck führen. Und wie reagieren Führungskräfte auf verschärften Wettbewerb?

Zunächst wird der verschärfte Wettbewerb dazu führen, dass viele Führungskräfte sich von Sachen her, vom Haben her definieren, von Einfluss, Geld und Vermögen - und damit sich selbst verlieren. Die ärmsten Menschen sind Führungskräfte, keine Führungspersönlichkeiten, die sich an ein Unternehmen verloren haben oder an einen Aspekt, der mit dem Unternehmen verbunden ist, also an Geld, Macht und Einfluss. Man kann alles verlieren, zum Letzten sich selbst. Bei manchen ist es leider so, dass sie das gleich als Erstes verlieren. Wir sprechen von einem Menschen, der sich selbst verloren hat, als einem Systemagenten, je nach Zuordnung von einem ökonomischen, einem politischen, kirchlichen... Systemagenten. Wenn ein Mensch sich nicht verloren hat, dann muss er zu den Werten, den politischen, den ökonomischen, den sozialen, kulturellen oder ekklesialen Werten, die er vertritt, auch noch sittliche Werte mit übernehmen. Ich erwarte von einer Führungskraft, zumindest in den Unternehmen, in denen ich selbst im Aufsichtsrat tätig bin, dass sie erstens über Fachkompetenz verfügen und zweitens über Sozialkompetenz.

Die Sozialkompetenz muss sich wenigstens im Aufbau von Vertrauensfeldern ausdrücken. Wer nicht in der Lage ist, um sich herum ein Vertrauensfeld aufzubauen, der hat keine zureichende Sozialkompetenz, um als Führungskraft an entscheidender Position in einem Unternehmen tätig zu sein. Sie erschüttern meist mit Angst, Furcht, Schrecken und ähnlichen Dingen, die ihnen teilweise Unternehmensberatungsfirmen beibringen. Manches Unternehmen würde noch leben, wenn es nicht einer Unternehmensberatungsfirma in die Hände gefallen wäre. Die Zerstörung von Vertrauensfeldern in Unternehmen, nur um eine zeitweilig vorübergehende größere Effizienz zu erzeugen, ist eines der gefährlichsten Dinge, die man machen kann. Mann kann vorübergehend durch Angst und ähnliches größere Effizienz erzeugen und die Effektivität erhöhen, aber nicht auf Dauer. Auf die Dauer so nach drei bis vier Jahren, das haben wir auch gut statistisch nachweisen können, ist der Beitrag der Mitarbeiter zu innerbetrieblichen Wertschöpfung größer, wenn in einem Unternehmen oder in einem Zweig eines Unternehmens ein Vertrauensfeld aufgebaut worden ist, als wenn mit Angst, Schrecken und Terror regiert würde.
Fairness und Vertrauen bedingen einander. Einem Menschen kann man nicht vertrauen, der nicht fair ist. Fairness ist eine notwendige Bedingung für Vertrauen. Es ist zwar keine hinreichende aber eine notwendige. Fairness ist Bedingung für Vertrauen - und Führungsaufgabe.

Das Schlimme ist aber, dass die Softfacts im Fall von Fusionen beim ersten Schritt der Orientierung hin zu einer Internationalisierung, einer Globalisierung ganz vernachlässigt werden.
Das ist aber erstens eine Folge der Unternehmenskultur. Rund 80% der Fusionen, wie immer sie auch juristisch heißen mögen, scheitern, weil die Unternehmens-kulturen nicht zusammenpassen.
Zweitens gehört zu den Softfacts unbedingt das innovative Wissen. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, wie der Herr Bundesminister eingangs zurecht zum Ausdruck gebracht hat. Das innovative Wissen ist nicht das Wissen, das man aus einem Computer abrufen kann, denn hier ist das Wissen nicht innovativ, sondern an den status quo angepasst. Für Innovationen, und die sind gerade in Fusionssituationen unbedingt notwendig, brauchte es vor allem Menschen. Und dieses Potential geht bei Fusionen erfahrungsgemäß abhanden!
Und drittens gehört zu den Softfacts auch die Mobilität. Dabei ist nicht nur die lokale Mobilität gemeint, sondern auch die mentale Mobilität. Und die ist sehr unternehmensspezifisch. Bei der Fusion zweier Unternehmen geht diese Art der unternehmensspezifischen mentalen Mobilität, Kreativität - Kreativität ist ein Teil der mentalen Mobilität und definiert als produktive Fähigkeit gegen Regeln und Selbstverständlichkeiten zu denken - weitgehend verloren, weil sie sich unternehmensspezifisch ausgebildet hat.

(...)

Bei den Hardfacts wird nicht beachtet, also bei Arbeit, Kapital und Umweltverbrauch, dass das Kapital nicht der einzige Hardfact ist. Um das Kapital einzuwerben und zu halten, wird eine möglichst hohe Rendite ins Auge gefasst, die gemäß dem Shareholdervalue-Denken alle Hardfacts als ‚Capital' betrachtet. Insofern wird auch die Arbeit als Human Capital betrachtet, obwohl es hier um Menschen und um menschliche Arbeit geht. In Bezug auf die große Fusion zwischen Mannesmann D2 und Vodafone habe ich im Rahmen einer Talkshow einen neoliberalen, jungen Wirtschaftsprofessor dadurch aufgeregt, dass ich die Tatsache, dass bei einer Übernahme das Kapital der übernehmenden Firma auch die Übernahme und Zuordnung der Mitarbeiterschaft bestimmt, als Sklavenhalterschaft bezeichnee, denn dafür ist kennzeichnend, dass Arbeit verkauft wird.

(...)

Eine Führungskraft ist ein Systemagent. Davon haben wir genug. Da haben wir in der Bundesrepublik vermutlich Hunderttausende völlig Überflüssige. Ich habe in keinem Unternehmen bisher, wenn wir eine Prozesskostenrechnung und aufgrund dessen eine Wertschöpfungsanalyse gemacht haben, gesehen, dass die Arbeiter Schuld daran gewesen wären, dass die Prozesskosten zu hoch gegenüber der Wertschöpfung waren. Es waren immer Führungskräfte und keine Führungspersönlichkeiten.
Eine Führungspersönlichkeit hat nämlich nicht nur den Nutzen des Unternehmens vor Augen, sondern auch das sittliche Bewusstsein, dass es wenigstens auf die soziale Verantwortung im Rahmen des Aufbaus von Vertrauensfeldern ankommt. Das ist keine Kunst, die man in Seminaren lernen kann, man kann vielleicht in Seminaren Kommunikationstechniken lernen, aber nicht Vertrauensfelder aufzubauen. Das ist eine Charakterangelegenheit. Einige Menschen können es, einige können es nicht und werden es auch nie lernen und sind dann als Führungspersönlichkeiten ungeeignet. In Firmen, in denen ich Aufsichtsratsfunktionen wahrnehme, ist es vordringlich meine Aufgabe, Führungskräfte durch Führungspersönlichkeiten zu ersetzen. Ungeeignete Führungskräfte sind der Untergang eines Unternehmens. Ich habe noch nie erlebt, dass Führungspersönlichkeiten ein Unternehmen zu Grunde gerichtet hätten.

Prof. Dr. Rupert Lay