Buchtipps

Brauchen Organisationen neue Supernannys?

Wie Coaching und Supervision Menschen unterstützen

„Die Versuche, über Supervision und Coaching gezielt Personen und damit auch Strukturen der Organisationen zu verändern, mögen erfolgversprechender sein als ein entsprechendes Training“, bringt Sozialwissenschaftler Stefan Kühl die Problematik von Coaching und Supervision auf den Punkt. Doch selbst bei einem sorgsamen Abgleich von Selbst- und Fremdwahrnehmung werde sich der Widerstand der Betreffenden nur mäßig überwinden lassen. „Dafür, dass sich mit Coachs und Supervisoren neue ‚Supernannys‘ der Organisation ausbilden, gibt es systemtheoretisch keine Indizien“. Kühls Problemanzeige zeigt: Coaching und Supervision sind nicht die Hebel, um Organisationen zu verändern. Dazu sind Persönlichkeits- und Kompetenzveränderungen viel zu mittel- und langwellig. Kühl fasst Coaching und Supervision unter „personenorientierter Beratung in Organisationen“ zusammen. Die Literatur unterscheidet meistens: Coaching ist stärker persönlichkeits- und kompetenzbezogen; Supervision rollen- und aufgabenbezogen. In der Praxis ist der Grenze nicht so scharf und niemand hat bisher untersucht, ob sie einen Sinn macht. Es macht aber Sinn, wenn Menschen durch Supervision sich selbst in Bezug auf ihr Organisation verstehen und lernen, wie die Funktionselemente in ihrer Organisation ineinander und in ihre Person eingreifen und wie sie umgekehrt auf dieselbe einwirken. Erst dann kann jemand dazu Stellung nehmen; sein Verhalten und Handeln genauer bestimmen. So sehen es auch die Psychologinnen Annegret Böhmer und Doris Klappenbach in ihrem Buch „Mit Humor & Eleganz“. Sie bringen viel an methodischen Ansätzen und Elementen bei, um nach einem Kapitel über Organisation allgemein den Fokus auf die evangelische Kirche als ausführliches Beispiel für eine Institution zu legen. Wobei das Coaching als eigenständiger Beratungsweg, der primär einzelnen, meist Führungspersonen und ihrem Führungshandeln, gewidmet ist, etwas untergeht beziehungsweise Teil des Supervision wird. Dafür spricht, es macht keinen Sinn, von der Organisation abzusehen, wenn man Menschen in Systemen coacht. Astrid Schreyögg, Psychotherapeutin, Supervisorin und Coach, nennt das den „kontextuellen Hintergrund“ von Coaching, vor allem im Blick auf eine „neu ernannte Führungskraft“. Und sie verschränkt zu Recht in ihrem Buch Coaching mit Organisationsreflexion, also mit Supervision im Blick auf die handelnde Person. Auch Kurt F. Richter gibt nach anfänglichen Versuchen auf, Coaching und Supervision scharf voneinander zu unterscheiden. Daraus gewinnt das Buch sogar Vorteile, bietet ein Füllhorn an Perspektiven für Coaches und Supervisoren an. Das Buch schließt mit einem Kapitel über Selbstcoaching. Selbstcoaching ist auch ein Widerspruch in sich selbst, denn beim Coaching geht es vor allem um zweierlei: Dass sich eine Person mit Verantwortung auseinandersetzt mit ihren blinden Flecken, mit dem, was sie über sich selbst allein nicht erkennen und wissen kann, und mit dem, was sie mit welcher Qualität, mit welchem Ziel, mit welcher Haltung und mit welcher Wirkung tut, getan hat oder zu tun beabsichtigt. Das gerade geht nicht mit Selbstcoaching; das ist auch nicht primär Gegenstand von Supervision. Das geht den Handelnden in Organisationen heute oftmals ab, auch, weil das methodisch versierte, gebildete Gegenüber fehlt, das spiegeln und mit dem man sich reflektieren kann. Das verändert nicht gleich die Organisation, aber ein derart bewusstwerdender Mensch bewegt in einer Organisation anders als vorher – und schon das ist für viele ein Fortschritt. Selbstcoaching ist also lediglich Selbstmanagement oder – wie es Gunnar C.Kunz formuliert – „strukturierte Selbstveränderung“, die viel Selbstdiziplin braucht und ohne Impulse von außen nicht wirklich auskommt. Dafür gibt sein Buch viel her, was für Selbstmanagement im Beruf wichtig ist. Walter Buchacher und Josef Wimmer bieten Anstöße und Werkzeuge bunt und konzentiert für eigenes „Lebensmanagement“ an. „Coaching“ auf den Punkt gebracht hat Volker Zumkeller in einem kleinen, sehr guten Taschenbuch. Es unterstützt Coaches und hilft Coachees, die Arbeit ihrer Coaches zu überprüfen. Supernannys werden nicht gebraucht, aber Coaching und Supervision, damit Menschen in Organisationen reflektierter und kompetenter werden können und den Organisationen weniger ausgeliefert. Norbert Copray

Annegret Böhmer/Doris Klappenbach, Mit Eleganz & Humor, Supervision und Coaching in Organisationen und Institutionen. Junfermann. 235 Seiten. 22 €

Walter Buchacher/Josef Wimmer, Das Selbst-Coaching-Seminar, Linde international. 200 Seiten. 24,90 €

Stefan Kühl, Coaching und Supervision, Lehrbuch. VS. 226 Seiten. 24, 90 €

Gunnar C. Kunz, Coachen Sie sich selbst! Neue berufliche Herausforderungen meistern. dtv 50921. 304 Seiten. 12,90 €

Kurt F. Richter, Coaching als kreativer Prozess, Vandenhoeck & Ruprecht. 358 Seiten.

Astrid Schreyögg, Coaching für die neue ernannte Führungskraft, VS. 284 Seiten. 49 €

Volker Zumkeller, Coaching, Cornelsen/Pocket-Business. 126 Seiten. 6,95 €