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Das Dämonische überwinden

Stichwort:
Gott

Unbewußte "dämonische Gottesbilder" fand der Pastoralpsychologe Karl Frielingsdorf in 586 von 591 Lebensläufen meist hauptamtlicher Seelsorger, Ordensleute und Priester aus den letzten 15 Jahren. In einer Nachbearbeitungsphase mit den Beteiligten wurde sichtbar, daß entsprechend der eigenen, oft negativ-unbewußten Lebenshaltung in der frühen Kindheit ein solches Gottesbild entstanden war, das auch die lebensvernichtenden und -behindernden Schlüsselbotschaften der Eltern aufgenommen hatte. Das dämonische Gottesbild hintertrieb unerkannt die positive Lebenseinstellung und unterlief die Wirkung heilsamer Gottesbilder. Darüber schreibt Frielingsdorf in seinem überzeugenden Buch "Dämonische Gottesbilder". Er analysiert das Bild vom strafenden Richtergott, vom Todes-Gott, vom Buchhalter- und Gesetzesgott, vom Leistungsgott. Helmut Jaschke, Religionspädagoge und Psychotherapeut, konzentriert sich in seinem Buch "Dunkle Gottesbilder" auf den "Richter-Gott als krankmachendes Gottesbild". Dafür geht er ausführlich auf die therapeutischen Ansätze ein, die destruktiven Gottesvorstellungen zu heilen.

Das Problem der dämonischen Gottesbilder besteht theologisch darin, daß sie in der jüdisch-christlichen Tradition verankert sind. Nicht zuletzt gibt es darüber, inwieweit Jesus den Glauben an einen angeblich jüdischen Macht-, Gewalt- und Rachegott schlimmen patriarchalen Zuschnitts überwand, heftigen Streit. Empört widerspricht der Alttestamentler Erich Zenger dieser Position. In seinem aufklärungsreichen Buch "Am Fuß des Sinai" stellt er klar, daß das einseitig dunkle Gottesbild, das oft für das ganze Erste Testament gemalt werde und das nur einen kleinen Mosaikstein des großen Mosaikbildes von Gott im frühen Judentum ausmache, einfach nicht stimme, sondern daß das Judentum und auch Jesus eine "Pluralität und Multiperspektivität der Gottesbilder" zulassen, sogar fördern. Gleichwohl gibt es ein dramatisch-geschichtliches Ringen jedes Einzelnen, von Gruppen und Völkern um das eigene Gottesbild. In seinem Buch "Ein Gott der Rache?" geht Zenger noch einen Schritt weiter und bricht eine Lanze für die Rede vom Gott der Rache und vom Richtergott. In den Psalmen werde nämlich in der Projektion auf Gott der gewalttätige und verderbte Zustand der Gesellschaft aufgedeckt. Und in "Am Fuß des Sinai" heißt es treffend: "Mit den widersprüchlichen, bis zu Gegenbildern gesteigerten Rollenbeschreibungen, wie sie der Beter Gott entgegenschleudert, benennt er einerseits seine Situation und will andererseits damit auf Gott einwirken, diese Rollenwidersprüche aufzulösen".

Um Gottesbilder richtig zu verstehen, liefert der Fundamentaltheologe Jürgen Werbick einen gediegenen und überraschungsvollen Leifaden, der vor allem in Religionsunterricht und Verkündigung dienlich sein kann. Wichtig sei, sein Gottesbild nicht als abgeschlossene Tatsachenfeststellung mißzuverstehen. "Gottes Wahrheit ist eine Weg-Wahrheit", die in, mit und an der eigenen Biographie erarbeitet, erfahren, erlitten werden will. Werbick bringt Gottesbilder als "Gott-Metaphern" neu ins Spiel. Metaphern sind Vermittler. Sie vermitteln Göttliches im Menschlichen, bringen das Allgemeine im und am Konkreten zum Ausdruck, ohne das Konkrete aufzuheben. "Gotteskind" ist eine Metapher, mit denen Menschen eine Spur zu Gott, ein Weg zu seiner Wahrheit erschlossen wird. An Metaphern müssen sich die Begriffe abarbeiten, die so zugleich davor bewahrt werden, Gott auf etwas festzunageln. Die Metaphern unter anderem vom Kriegsgott, Richtergott, Helfergott, Rettergott, denen sich Werbick ausführlich stellt, provozieren eine Auseinandersetzung über den Bezug Gottes zu meinem Leben. Sie lassen nicht locker, wenn sie nicht zu Klischees herabgewürdigt und als Beschreibungen eines Gegenstands "Gott" mißbraucht wurden. Sie sagen wenig über Gott selbst, viel über den Menschen. Die ehemalige katholische Ordensfrau und Literaturwissenschaftlerin Karen Armstrong, trifft in ihrer imposanten Gottesgeschichte "Nah und schwer zu fassen der Gott" den Nagel auf den Kopf, wenn sie notiert: "Sehr viele Bedenken und Befürchtungen wären mir erspart geblieben, hätte ich erfahren, daß ich mir bewußt selbst ein Bild von Gott schaffen sollte, anstatt darauf zu warten, daß er von seinen höchsten Sphären zu mir herabstieg". Daran ist richtig, daß wir keine Sätze über Gott machen und uns vorgeben lassen können, sondern für unser Verhältnis oder Nicht-Verhältnis zu Gott selbst ein Bild finden müssen. Elisabeth Schüssler Fiorenza betont im Sammelband "Auf den Spuren der Weisheit": "Die Unfaßbarkeit und Unaussprechlichkeit Gottes verbietet jegliche Verabsolutierung und Festschreibung von Symbolen, Bildern und Namen für Gott, seien sie grammatikalisch männliche, weiblich oder sächlich bestimmt". Zu einer ganzheitlichen Gotteslehre gehört, Gottesbilder und -begriffe immer wieder zu verflüssigen. Dafür gibt der Religionspädagoge Norbert Scholl mit seinem Buch "Auf den Spuren des dreieinen Gottes" ein gutes Beispiel. Er versucht, das Symbol vom dreieinen Gott aus der Erfahrungswelt des Menschen heraus- und auch in die Erfahrungen hineinzulesen. Entstanden ist ein weitgespanntes Buch, das dabei eine geradezu spielerische Leichtigkeit gewinnt. Es leitet zu einem schöpferischen Umgang mit dem Gottessymbol an anstelle einer verkrampften Begriffsakrobatik.
Frielingsdorf fand auch heilsame Gottesbilder. Wichtig war vielen Befragten der "Gott, der mit dem Menschen leidet und ihn durch das Leid und den Tod zum Leben befreit". Die Rede vom leidenden Gott wurde heftig kritisiert. Trotzdem scheint der Glaube vieler Menschen auch dieses Gottesbild zu beinhalten, ohne daß für sie die Göttlichkeit Gottes in Frage steht. Anton Thaler unterstreicht: "Gott leidet mit aus Liebe" zum Menschen, was "freilich nicht Vergöttlichung des Leidens" heißt. Peter Koswlowski macht in seiner Studie "Gnosis und Theodizee" darauf aufmerksam, daß es vom Leidensbegriff abhänge, ob man vom leidenden Gott im Christentum sprechen könne: "Gerade weil Gott nicht des Erleidens der Persönlichwerdung und noch viel weniger des Leides des Schmerzes bedarf, kann er das Leid des Menschen als sein Leid frei annehmen und überwinden". Gottes Menschwerdung ist folglich stellvertretendes Leiden, um das Leiden in und aus Liebe von innen her und nicht mit Gewalt und neuem Leid zu verwandeln. Ob das ein zum Leben ermutigendes Gottesbild ist, wird jeder für sein Leben selbst entscheiden müssen.

Dr. Norbert Copray


Rezensierte Bücher:

Karen Armstrong: Nah ist und schwer zu fassen der Gott. 3000 Jahre Glaubensgeschichte von Abraham bis Albert Einstein. Droemer Knaur. 608 Seiten.

Karl Frielingsdorf: Dämonische Gottesbilder. Grünewald. 185 Seiten.

Helmut Jaschke: Dunkle Gottesbilder. Herder. 156 Seiten.

Peter Koslowski: Gnosis und Theodizee. Eine Studie über den leidenden Gott des Gnostizismus. Passagen. 115 Seiten.

Norbert Scholl: Auf den Spuren des dreieinen Gottes. Deutscher Studienverlag. 183 Seiten.

Anton Thaler: Gott leidet mit. Knecht. 74 Seiten

Jürgen Werbick: Bilder sind Wege. Kösel. 360 Seiten.

Verene Wodtke (Hg.): Auf den Spuren der Weisheit. Sophia - Wegweiserin für ein weiblicher Gottesbild. Herder. 199 Seiten.

Erich Zenger: Am Fuß des Sinai. Gottesbilder des Ersten Testaments. Patmos. 174 Seiten.

Ein Gott der Rache. Feindpsalmen verstehen. Herder. 188 Seiten.