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Stichwort
Ökonomismus

„Geiz ist geil“ ist die Zeitgeist-Ansage. Eine trickreiche Formulierung. Sie funktioniert nur, weil mit dem Motto eine heimliche Botschaft verbunden ist, deren Wirkung ungleich viel größer ist: Gier ist geil! Es gibt mittlerweile eine relativ große Gruppe sehr wohlhabender Menschen, die nicht so sehr selbst Verbraucher, sondern Habgierige sind. So jedenfalls der begründete Eindruck nach der Lektüre von Reinhard Blomerts Buch „Die Habgierigen“. Der springende Punkt: „Die Menschen wirtschaften nicht mehr, weil sie etwas zu essen brauchen, sondern sie wirtschaften nur noch, um reicher zu werden“. Blomerts Reportagen und Analysen zeigen, dass der ursprüngliche Sinn von Wirtschaft längst aufgegeben wurde. Es geht jetzt darum, vorhandenes Kapital in der Hand weniger Reicher zu vermehren, egal um welchen Preis. Günter Ogger demonstriert den Vorgang anhand des Aktienbooms Ende der neunziger Jahre, verbunden mit vielen Schwindelaktionen. Doch der Traum Vieler von der schnellen Geldvermehrung ohne Arbeit, beweist vor allem eins: Die Gier ist nicht nur das Problem weniger Reicher, sondern der Gesamtgesellschaft. Sonst würde das Geschäft der Wenigen mit den Vielen gar nicht laufen. Wo indes Gier ist, ist Betrug und Korruption nicht weit. Denn der Kapitalbesitz und seine Vermehrung sind häufig Realsymbole der eigenen Potenz und werden auch so erlebt. Kein Wunder, wenn zwischen Kapitalbesitz und Machtbesitz enge, wechselseitig förderlicher Beziehungen bestehen, die gleichwohl nicht konkurrenzfrei sind. Auch im politischen System waltet der Eigennutz, die Gier nach mehr. Wie „das System“ funktioniert, hat Hans Herbert von Arnim in seinem Buch über „Die Machenschaften der Macht“ präzise analysiert. In welchen Formen von Korruption solche „Netzwerke in Politik, Ämtern und Wirtschaft“ gipfeln, findet sich in dem von ihm herausgegebenen Sammelband. Von Arnim unterbreitet realitätsbezogene Veränderungsvorschlage. Mit welcher Art von Leben Menschen und Menschengruppen in unserer Gesellschaft für den Gier-Kapitalismus einen hohen Preis zahlen, bezeugt das auch von Günter Grass herausgegebene Buch „In einem reichen Land“. Dokumente der Entmenschlichung: Wie Menschen in unserer Umgebung durch die Gier Anderer in riskante Lagen gebracht wurden oder darin gehalten werden. Gleichwohl ist die Lage nicht hoffnungslos. Ulrich Beck diagnostiziert „Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter“. In seinem Versuch, eine neue kritische Theorie in kosmopolitischer Absicht auf die Beine zu stellen, bestreitet er eine Diktatur der Ökonomie über Politik und Gesellschaft. Er lässt das nur dort gelten, wo die Politik ihre strategischen Optionen aus der Hand gegeben hat oder nicht von ihnen Gebrauch macht. Wenn die Staaten es schaffen, den globalisierten Multis gegenüber zu treten und zivilgesellschaftliche Macht zu organisieren, wird die Machtasymmetrie aufhören. Doch ist der Prozess der Politik voraussetzungsreich und langsam. Im Gegensatz zu Konzernen, die ihrem Interesse an maximaler Rendite alles unterordnen können, sogar den Wettbewerb. Die Gier kennt keine Grenzen, aber ein Prinzip: die Effizienz. Geringster Einsatz von Mitteln bei maximalem Profit. Insofern sind die Effizienz-Manager die Propheten des neuen Kapitalismus ohne Grenzen. Dirk Kurbjuweit zeigt auf der Grundlage seiner Spiegel- und Zeitartikel, wie die Diktatur der Ökonomie durchgesetzt und organisiert werden konnte. Der Prototyp ist für ihn die McKinsey-Gesellschaft. Glänzende Einblicke und Analysen zeigen: „Ökonomismus ist so erfolgreich, weil er immer das Versprechen von Wohlstand und Reichtum mit sich führt, ein herrliches Versprechen, an das wir alle gerne glauben“. Auch Bildung, kirchliches Leben und soziale Unterstützung werden dem Effizienz-Prinzip unterworfen. Wozu? Um den Reichen und Gesunden Geld zu sparen, die Ökonomisierung total zu machen und die Gier nach Mehr nicht zu hindern. Selbst Kritik bestätigt oft dieses Effizienz-Prinzip, durch das sich die Gier wie auf Hinterpfötchen in unser Denken einschleicht.

Dr. Norbert Copray

Hans Herbert von Arnim: Das System. Knaur 77658

Hans Herbert von Arnim (Hg.): Korruption. Knaur 77683

Ulrich Beck: Macht und Gegenmacht im globalen Zeitalter. Suhrkamp. 480 Seiten

Reinhart Blomert: Die Habgierigen. Firmenpiraten, Börsenmanipulationen: Kapitalismus außer Kontrolle. Kunstmann. 198 Seiten

Günter Grass, Daniela Dahn, Johanno Strasser (Hg.): In einem reichen Land. Steidl. 640 Seiten

Dieter Kurbjuweit: Unser effizientes Leben. Rowohlt. 187 Seiten

Günter Ogger: Der Börsenschwindel. Goldmann 15178