Buchtipps

Menschenanstand für die eine Welt

Handbuch auf dem Weg zu einem globalen Ethos

Hans Küng
Anständig wirtschaften
Warum Ökonomie Moral braucht. Piper. 288 Seiten.

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise ließ uns in den Abgrund sehen. Für einen Moment hielt die Welt den Atem an. Politiker wie Manager sahen entsetzt das extreme Risiko, in dem die Welt sich durch eine weithin unregulierte oder deregulierte Finanzbranche und ihre Dominanz befindet. Obwohl für Millionen von Menschen und Gemeinwesen das Desaster noch lange nicht vorbei ist, ist die Branche in ihr altes Fahrwasser zurück geglitten und macht wieder gute Geschäfte, manche mehr als je zuvor. Regulierungen finden nicht statt oder greifen nicht. Von Selbstregulierung durch eigene Einsicht keine Spur.
Hans Küng, weltbekannter ökumenischer Theologe, Präsident der Stiftung Weltethos und Bestsellerautor, setzt in seinem Buch beim Finanz- und Wirtschaftsdesaster an, die die „Globalisierung im Zwielicht“ erscheinen lässt: Die „Globalisierung erwies sich als ambivalent“, als bedrohlich für viele Menschen und Völker und bedarf daher „internationaler Regulierungen“ und eines „globalen Ethos“. Dabei will Küng keinesfalls in Moralisieren verfallen, auch wenn es ihm zentral um Werte für die eine Welt geht. Denn ethische Werte gegen andere Werte und Sichtweisen zu verabsolutieren, wird einer ethischen Perspektive für die Menschheit nicht gerecht. Daher will Küng zu Recht argumentieren und nicht moralisieren. Das Warum und Wozu ist wichtig, nicht die moralische Besserwisserei. Dazu analysiert Küng im ersten Teil die kritischen Aspekte der Globalisierung, im zweiten Teil die Wirtschaftskonzeption und im dritten die Sozialität unserer Marktwirtschaft. Klare Absage Küngs an den Neoliberalismus, den er lieber Ultraliberalismus oder auch Neokapitalismus nennt. Klare Kritik an unzureichenden Konzepten oder an unvollständigen Rückgriffen auf Traditionen wie die von Adam Smith. Dafür deutliche Argumente für einen weder sozialistischen noch kapitalistischen Weg, der mal als Dritter Weg bezeichnet wurde und hierzulande als Soziale Marktwirtschaft gilt. Doch auch diese muss dringend weiterentwickelt, ja geradezu transformiert werden, um die ökologischen, die ethischen und – sei hier ergänzt – die demographischen Herausforderungen bewältigen zu können. Gibt es Wege dahin? Gibt es Wege aus der Krise der Wirtschaft und des politischen Systems? Küng sieht zuerst eine Krise der Verantwortlichkeiten, Irrwege der ökonomischen Überzeugungen und Annahmen, Irrläufer unter den Akteuren. Dem ist entgegen zu wirken mit einem „Wirtschaften aus Verantwortung“, mit Anstand, mit „Menschenanstand“. Daraufhin entwickelt er einerseits Umrisse eines globales Ethos für eine globale Marktwirtschaft, die im Dienst am Menschen steht; andererseits ein „Ethos für Führungskräfte“, das getragen ist von Integrität und sich in ethischer Kompetenz äußert.  Damit werden – im Rückgriff auf verschiedene Stationen, mit einer Charta global verbindliches Ethos zu befördern – die Ausführungen im letzten und achten Kapitel vorbereitet, das Hintergrund, Inhalt und Zielsetzung vom „Manifest Globales Wirtschaftsethos“ erläutert, das Küng maßgeblich inspiriert hat und das auf seinen Arbeiten fußt (www.globaleconomicethic.org). Küng will zum Aufbruch zu einer sozial-ökologischen Weltwirtschaft anfeuern. Er gibt dazu wichtige, kluge und weitsichtige Grundlagen an die Hand, auch wenn viele Aspekte bereits durch andere und von diesen teils teifgreifender durchgearbeitet sind. Für Küng ist wichtig: An die Stelle der maximalen Profitsteigerung kommt der Primat des Ethos gegenüber Ökonomie und Politik. Das braucht die ganze Welt!

Dr. Norbert Copray